Münchens Sterneküchen sind genauso bunt wie die Viertel selbst. Wir treffen die Spitzenköch*innen dort, wo sie selbst gern Mittag machen. Diesmal essen wir mit dem frisch gebackenen Sternekoch Daniel Bodamer ein Spaghettieis in der Gelateria Adria, bevor wir ihm im Schwabinger Restaurant Brothers über die Schulter schauen.
Daniel Bodamer ist vor Kurzem nicht nur 30 geworden, sondern auch Sternekoch. Nur drei Monate nach Eröffnung holte das Restaurant Brothers in Schwabing mit ihm als Küchenchef den ersten Stern. Ich treffe mich mit Bodamer in der Gelateria Adria im Univiertel – passend zum heißesten Tag des Jahres gehen wir ein Spaghettieis essen. Das „Adria“ ist Bodamers zweites Wohnzimmer, seine Wohnung und das Restaurant liegen nur ein paar Minuten entfernt.
Die Gelateria Adria erkennt man sofort an ihrem meerblauen Vordach, der verspielte Schriftzug erinnert an das München der 80er-Jahre. Schon seit 1958 gibt es die Eisdiele in der Türkenstraße, seit 40 Jahren wird sie von Stefano Ciniero und seiner Frau Maria Santoro betrieben. Mittlerweile eine echte Institution in der schnelllebigen Maxvorstadt, in der gefühlt jede Woche ein neuer Laden eröffnet.
Im „Adria“ bleibt dagegen alles beim Alten – zwischen Wandgemälden, goldverzierten Spiegeln und Caféhaus-Stühlen mit Wiener Geflecht. Der Laden scheint aus der Zeit gefallen und genau das macht ihn so charmant. Wer einen Eiskaffee bestellt, bekommt ihn mit Sahne und Vanilleeis. Es gibt hausgemachtes Eis, wechselnde Pastagerichte und laut Bodamer „das beste Spaghettieis der Stadt“.
„Ich liebe Eis, das geht einfach immer!“
Der Sternekoch bestellt es ohne Sahne und mit Amaretto-Likör, ich genau andersherum. Mein letztes Spaghettieis habe ich vor über 20 Jahre gegessen, ich bin also sehr gespannt. Optisch bekommt das Eis schon einmal die volle Punktzahl und es schmeckt tatsächlich auch sehr gut: Die Erdbeersoße ist frisch, die Sahne eiskalt. Und obwohl wir die kleine Portion bestellen, geht es auf jeden Fall als Mittagessen durch.
„Ich liebe Eis, das geht einfach immer!“, schwärmt Bodamer. Und dasselbe trifft auch auf das „Adria“ zu: Ob abends mit der Freundin oder tagsüber mit Kolleg*innen, die Eisdiele im trubeligen Univiertel ist immer eine gute Idee. Entdeckt hat sie Bodamer, als er im Tantris angefangen hat, denn die Kochschule des ältesten Gourmetrestaurants Münchens liegt in der benachbarten Amalienpassage.
In München hat Bodamer schon bei den bekanntesten Sterne-Restaurants gekocht: als Souschef mit Benjamin Chmura im neuen Tantris, sowie bei Jan Hartwig im Atelier im Bayerischen Hof. Dazwischen war er immer wieder weg aus München – im Drei-Sterne-Restaurant Schwarzwaldstube oder beim Zwei-Sterne-Koch Klaus Erfort in Saarbrücken. Ganz besonders schwärmt er von seiner Zeit in Paris, dort hat er zwei Jahre lang als Souschef im Le Clarence gearbeitet.
In dem französischen Zwei-Sterne-Lokal wählen die Gäste nur die Anzahl der Gänge – was auf die Teller kommt, entscheidet Küchenchef Christophe Pelé spontan. Bodamer erinnert sich zurück: „Wir haben jeden Tag anhand der frischen Lieferung überlegt, was wir für welchen Tisch zubereiten. So kam es vor, dass jede Reservierung am Abend was anderes gegessen hat – die einen Wolfsbarsch im Salzteig, die anderen einen Lammrücken. Ich bewundere Christophe Pelé dafür, wie wild und präzise er kombinieren kann. Seine Gerichte schüttelt er aus dem Ärmel und trotzdem sind sie immer stimmig.“
„Die Basis meiner Küche würde ich als französisch bezeichnen, allerdings mit internationalen Einflüssen – die bekommt man in Paris ganz automatisch mit.“
Bodamers eigener Küchenstil ist von dieser Zeit stark geprägt: „Das waren natürlich keine Teller, die man mit der Pinzette angerichtet hat, aber so ein Typ bin ich auch nicht. Die Basis meiner Küche würde ich als französisch bezeichnen, allerdings mit internationalen Einflüssen – die bekommt man in Paris ganz automatisch mit.“ Und so steht auf der Karte vom Brothers zum Beispiel eine Zucchiniblüte kombiniert mit Ricotta und einer Sauce Pistou, die französische Interpretation von Pesto. Oder ein Steinbutt mit Kapern und Salzzitrone, einer Spezialität aus Marokko.
Bei der Menüplanung verlässt Bodamer sich auf seine Erinnerung: „Ich kann mir Kombinationen supergut merken. Meine Freundin lacht jedes Mal – wenn wir irgendwo essen sind, weiß ich noch Jahre später jedes Gericht bis ins Detail. Ich bin ein sehr ehrgeiziger Typ, mein Faustball-Trainer meinte früher, etwas zu ehrgeizig. Aber der Ehrgeiz macht mir auch Spaß: Mich freut es, wenn ich jeden Tag eine gute Leistung abliefern, eine tolle Sauce kochen kann.“
„Ich kann mir Kombinationen supergut merken. Meine Freundin lacht jedes Mal – wenn wir irgendwo essen sind, weiß ich noch Jahre später jedes Gericht bis ins Detail.“
Hinter dem Restaurant Brothers steckt ein weinaffiner Investor, das merkt man spätestens, wenn man die 60-seitige (!) Weinkarte aufschlägt. Diese kommt im Altarfalz daher und gleicht eher einer Bibel. Und trotzdem kommt das kleine Sternerestaurant in Schwabing jung und modern daher: An den Wänden hängen Illustrationen, die Einrichtung ist clean, der Service gelassen. Man trägt T-Shirt unterm Sakko. Und wer nicht das komplette Sechs-Gänge-Menü essen möchte, der kann sich die Gerichte auch einzeln à la carte bestellen.
Eröffnet wurde das Brothers von den Zwillingsbrüdern Tobias und Markus Klaas, die zuvor als Restaurantleiter und Sommelier bei Tohru Nakamura in der Schreiberei gearbeitet haben. Daniel Bodamer lernte die beiden über einen ehemaligen Kollegen kennen, als sie ihm von ihrer Idee erzählten: „Ein junges Konzept, ein kleines Team – das hat sich alles ziemlich gut angehört. Und es war für mich an der Zeit, mich zu trauen und den nächsten Schritt zu gehen.“
Nun lernt Bodamer, wie es ist, eine eigene Küche zu leiten. Irgendwann möchte er sich einmal selbstständig machen, ein eigenes Restaurant eröffnen – so wie seine Eltern, die seit 30 Jahren einen Landgasthof zwischen Karlsruhe und Pforzheim betreiben. Schon sein Opa hatte ein kleines Restaurant mit Metzgerei, die Oma steht noch heute mit 86 Jahren manchmal in der Küche. Ostern und Weihnachten werden in der Familie Bodamer groß gefeiert, zum gemeinsamen Essen am Sonntagabend kommt man zusammen.
„Mein Lieblingsessen sind Linsen mit Spätzle und Seitenwürstle. Mein Vater hebt mir immer eine Portion auf, wenn ich nach Hause komme!“
Seit Kurzem hat das Brothers auch sonntags zum Lunch geöffnet, aber danach steigt Daniel so oft es geht ins Auto und fährt nach Hause nach Baden-Württemberg. Als ich ihn zu seiner Heimat befrage, fängt er an zu schwärmen – sogar noch mehr als von Paris – und rutscht sofort ins Schwäbische: „Mein Lieblingsessen aus der Kindheit sind Linsen mit Spätzle und Seitenwürstle. Mein Vater kocht die besten Linsen und hebt mir immer eine Portion auf, wenn ich nach Hause komme!“